Die Grafik, insbesondere die Druckgrafik, ist im Kunstmarkt stark unterbewertet. Diese Feststellung darf in keiner Grafik-Ausstellung fehlen. Da die Grafik in der Regel deutlich günstiger zu kaufen ist als Malerei, halten viele sie für billig im Sinne von wertlos. Dieser circulus vitiosus ist schwer zu durchbrechen, außer dadurch, der Grafik mehr Raum zu geben. Der FOKUS Grafik im Rahmen der Parallelaktion ist ein Beitrag dazu. Es gibt mehrere Definitionen von Grafik, die in der kleinen Sonderschau im Rahmen der Parallelaktion ihre Vertreter finden.
Grafik = Druckgrafik
Dies ist die Postion von Adalbert König, der in seinem Buch „Erkennen Sie den Druck?“ rund 400 drucktechnische Verfahren auflistet und erläutert, von Aquatinta über Heliogravüre, Holzschnitt, Hyalographie bis zur Zinkographie und der Zinkotypie. Noch nicht erwähnt werden in dem Fachbuch jene Arbeiten, die heute jeder mit seinem eigenen Digitaldrucker herstellen kann.
Die Akribie der feinen handwerklichen Arbeit und die Möglichkeit der Vervielfältigung fasziniert bis heute viele Künstler. Deshalb arbeitet auch die Malerin Tonia Kos mindestens einmal jährlich in einer Druckwerkstatt. In einem Blatt kombinierte sie Lithografie und Radierung.
← Tonia Kos o.T., Lithografie und Radierung, 65x50 cm |
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Auf klassische Radierungen mit besonders feiner Strichlierung setzt Slava Reyzin. Slava Reyzin → Das Narrenschiff, Radierung, 29,5x38 cm
Eine Grafik von Josef Bramer neben einem Werk von Leherb zeigen, wie schwierig es ist mit freiem Auge eine Radierung von einem Offset-Druck zu unterscheiden. |
Grafik = alle Werke auf Papier
In diesem Sinne sind Unikate wie Aquarelle und Pastelle, die üblicherweise auf Papier gemalt werden, als Grafiken zu bezeichnen. Natürlich auch alle klassischen Zeichnungen auf Papier, egal ob mit Tusche, Kohle, Kreide oder Grafit. Dazu kommen heute Mischtechniken, Foto-Übermalungen und Collagen. Die junge georgische Künstlerin Tatia Bakuradze vereint alle diese Techniken in ihren Grafiken. Und Christine Nyirady beweist, dass auch Miniaturen einen großen Eindruck hinterlassen können. Auf Karton sind die Koproduktionen von Ernst Zdrahal, der Monotypien mit gestischen Zeichnungen von Robert Weber vereint.
„Der Maler zeigt die Schizophrenie des Alltags auf“, schreibt Verena Prandstätter im neuesten Katalog von Helmut Rusche. Obwohl der Künstler vorwiegend auf Papier arbeitet, ordnet ihn die Autorin klar in die Branche der Maler ein. Charakteristisch dafür: an den Reproduktionen im Katalog ist nicht auf Anhieb erkennbar, ob die Werke auf Papier oder auf Leinwand gemalt wurden.
Helmut Rusche, Wahnsinn, Mischtechnik auf Papier, 29x44 cm
Grafik vs Malerei
Die Grafik betont die Linien, die Malerei die Flächen. Starke Abgrenzung versus fließender Übergänge. Die Grafik in der Malerei ist aus traditioneller Sicht eine contradictio in adjecto. Aus moderner Sicht aber eher eine coincidentia oppositorum. Zwei Grafiker-Malerinnen zeigen dies in ihren Bildern. Bei Tamara Matara dominiert die klare Linie. Ihr Bild „Burning Soul“, Mischtechnik auf Leinwand, 110x80 cm, korrespondiert inhaltlich mit dem „Wahnsinn“ von Helmut Rusche. Doch formal ist es stärker mit der Ikonografie der orthodoxen Kirchen als mit dem Realismus der westeuropäischen Kunst verwandt.
Roswitha Eisenbock (Paris I, Grafit, Gouache, Pastell auf Leinwand, 70x100 cm) entdeckte nach und nach die Grafik als eigenständiges Element ihrer Gemälde. Was zunächst wie ein unvollendetes Bild wirkte, entwickelte sich bei ihr zu einem eigenen Stil- und Gestaltungs-Element in Landschafts- und Porträt-Serien: die Zeichnung als Bruchlinie und gleichzeitig Grundgerüst ihrer malerischen Kompositionen.
Die Sonderschau „Fokus Grafik“ liefert typische Beispiele für alle Positionen – von insgesamt einem Dutzend Künstlern und Künstlerinnen:
Josef Bramer
Roswitha Eisenbock
Karen Kuttner Jandl
Tonia Kos
Leherb
Tamara Matara
Christine Nyirady
Slava Reyzin
Helmut Rusche
Robert Weber
Ernst Zdrahal
Kontakt:
Hubert Thurnhofer
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