logo

bild

Gibt es überhaupt noch eine Kulturpolitik in Österreich? Die zuständige Ministerin Claudia Schmied ist so sehr mit dem Schulsystem beschäftigt, dass sie für Kunst keine Zeit mehr findet. Offenbar auch kein Interesse.

ClaudiaSchmied_500

Foto: Claudia Schmied spricht: Verleihung der Österreichischen Kunstpreise 2010


In ihrer Eröffnungsrede zu den diesjährigen Bregenzer Festspielen spannt die Ministerin den Bogen von der Vergangenheitsbewältigung bis zur Problembewältigung an den Schulen: „Die Aufgabe von Elternhaus, Schule, Universitäten, Kultureinrichtungen und Politik ist es, das Selbstbewusstsein und das Verantwortungsgefühl der jungen Menschen zu entwickeln und zu fördern. Es gilt den kritischen Blick zu schulen, den Diskurs und die Solidarität. ... Das müssen wir auch für die Jugend als positive Werte etablieren.“

Ein Statement zur Kunstpolitik fehlt, außer man würde folgende Aussage der Eröffnungsrednerin so interpretieren: „Die Erkenntnis ist manchmal sehr weit von uns entfernt.“ Gerne hätten wir der Ministerin ein paar Fragen gestellt um neue kunstpolitische Erkenntnisse zu gewinnen, doch unsere Interview-Anfrage wurde von ihrem Büro abgelehnt! So bleibt hier Raum, um einige Statements einer Artikelserie der IG Kultur über den „Verlust der Kulturpolitik“ zu zitieren.

„...gerade im Sommer, wenn die Salzburger Festspiele wieder die Herzen der Politiker_innen erfreuen, wenn rote Teppiche beschritten und die Beseeltheit echter Künstler_innen angestaunt werden kann, dann, ja dann, findet sich eine rückwärtsgewandt verwaltende Kulturpolitik, die sich nur in Sonntagsreden aus der rot-goldenen Sicherheit der Konzertsäle herauswagt, bestätigt. … regionale Kulturarbeit … würde dabei helfen, jene unnachvollziehbare und durch nichts gedeckte Zweiklassengesellschaft in der Fördergebahrung abzuschaffen, die einerseits den großen Institutionen ein Förderabo mit Inflationsabgeltung ohne jede Form der Qualitätskontrolle sichert, den kleinen Institutionen und Projekten hingegen abverlangt, bei jedem neuen Antrag um ihre Existenz zittern zu müssen und auch Kleinstbeträge mit unverhältnismäßigem Aufwand abzurechnen.“ Elisabeth Mayerhofer

„Was die Ministerin offenbar vermeiden will, ist die – längst anstehende – Verteilungsdebatte. ... Die Kunst- und Kulturförderung – nicht nur jene des Bundes - schafft eine Klassengesellschaft. … Es sind die Eigentumsverhältnisse bzw. die Trägerschaft einer Einrichtung. Staatliche Einrichtungen, deren Eigentümer oder Träger der Bund, ein Land oder eine Gemeinde (...) sind, werden einfach finanziert. … Für diese Einrichtungen gibt es kaum inhaltlichen Evaluationen oder kulturpolitische Zielsetzungen, deren Erreichen überprüft wird “ Juliane Alton

„Vielleicht sollte sich die Kulturpolitik für die Menschen zuständig fühlen und weniger für die Institutionen. Dann wäre es einfach festzustellen, dass viele kleine Kulturinitiativen de facto als die kulturelle Nahversorgung für Menschen in ganz Österreich mit ihrem Anteil von nicht einmal 5% am Verteilungskuchen regelrecht ausgehungert werden. Und das obwohl dort noch am ehesten auf die rasanten Änderungen der Bevölkerung, der Lebensstile und der sozialpolitischen Herausforderungen eingegangen wird.“ Marty Huber

„Während das Kunstbudget des Bundes seit Jahren, in manchen Kunstsparten sogar eklatant real fallende Tendenz zeigt (laut Kunstbericht 2009: 91,24 Mio. Euro), nehmen die Regierungsinserate immer hypertrophere Größenordnungen an. Die Branche schätzt, dass für diese Zuwendungen zur politischen Werbung allein in Tageszeitungen mit rund 95 Mio. pro Jahr bereits mehr als für das gesamte zeitgenössische Kunstschaffen ausgegeben wird.“ Michael Wimmer

„Anlässlich der Eröffnung der Bregenzer Festspiele 2011 sagte Frau Bundesministerin Schmied in ihrer Ansprache folgendes: „Es ist Zeit, dass wir uns bei allen marktwirtschaftlichen Prinzipien auf die Grundwerte unserer Kultur, auf Solidarität und Teilhabe besinnen und dass wir entschlossen für diese Werte eintreten. Auf einer breiten politisch-ökonomischen Ebene werden wir dieses Umdenken aber nur schaffen, wenn wir einen Pakt mit der nächsten Generation eingehen.“ … Solidarisch sind wir alle schnell, weil damit per se noch keine Handlung verbunden ist. Aber das Handeln ist es, welches erst dazu führt auch Veränderungen zu bewirken. Auch Teilhabe, als hübscher Begriff, birgt ein ähnliches „Gefahrenpotential“ in sich. Wie in der Rede von Frau BM Schmied, ist es ein Begriff, der schön klingt, der aber auch dazu dient, reale Ungleichheiten zu kaschieren und sich über Missstände hinweg zu schwindeln. Denn echte Teilhabe heißt, dass der Zugang zur Ressourcen gleich aufgeteilt ist, heißt dass eine Debatte über Verteilungsgerechtigkeit geführt wird.“ Stefan Haslinger

Alle Zitate igkultur.at

Banner 2023 1