17. November 2018 - "Der Kunstmarkt ist undemokratisch" ist der Titel eines Interviews, das Magnus Resch dem Monopol-Magzin gegeben hat. Demnach hat der Autor mit Wissenschaftlern die Karrieren von 500.000 Künstlern untersucht. Das Ergebnis der Studie ist im "Science"-Magazin erschienen.
Im Interview sagt Resch: "Ich war erstaunt, wie undemokratisch der Kunstmarkt ist. Es gibt ein kleines Netzwerk von Institutionen, die den Erfolg gepachtet haben. Hier werden die Superstar-Künstler gemacht, die unsere Enkel im Museum bestaunen. Alle anderen sind in Insel-Netzwerken, weit weg vom gelobten Land und ohne große Erfolgsaussichten."
Hätte Resch "Die Kunstmarkt-Formel", erschienen 2014, gelesen, wäre er wohl weniger erstaunt gewesen. Dort steht nämlich: "Es gibt keinen Kunstmarkt, sondern sehr viele Kunstmärkte. Und die Durlässigkeit ist sehr gering, sowohl horizontal als auch vertikal." Magnus Resch dazu: "Das Netzwerk ist undurchlässig – Aufstiegschancen gleich null. Fängt man einmal in der Insel an, bleibt man auch da. Der Kunstmarkt gleicht dem Kastensystem in Indien."
Siehe auch: Ein Lercherlschas erobert die Kunstszene
Weiters meint Magnus Resch:
"Es ist erschreckend, dass Künstler an den Akademien lernen, wie man den Pinsel hält, aber nicht, wie der Kunstmarkt funktioniert. Ich plädiere seit Jahren für mehr Management in der Kunst. ... Es ist also ein Irrglaube zu meinen, dass erfolgreiche Künstler besonders talentiert sind. Erfolgreiche Künstler sind schlichtweg im richtigen Netzwerk.
Der Kunstmarkt hat ein Riesenroblem: Keiner kauft Kunst. Die Anzahl der verkauften Werke ist seit Jahren rückläufig, zwischen 2007 und 2017 sogar um 20 Prozent gesunken. ... Was mich wundert, ist, dass alle Insel-Institutionen beschäftigt sind, Ausstellungen zu organisieren, anstatt dagegen auf die Barrikaden zu gehen! Es braucht also eine Intervention von außen. ... Staatliche Museen müssen Künstlern Ausstellungen geben, die nicht von den Top-Galerien kommen."
Über Qualität
"In den meisten Künsten kann Qualität nicht gemessen werden. Im Sport ist das einfacher: Der beste Golfer ist der, der am wenigsten Schläge braucht. Der beste Sprinter ist der, der die 100 Meter am schnellsten rennt. In der Kunst geht das nicht. Hier übernimmt das Netzwerk. Ein paar Kuratoren, Galeristen, Museumsdirektoren und reiche Sammler bestimmen, was gute Kunst ist – und was unsere Kinder im Museum bestaunen dürfen. ...
Es gibt keine Qualität in der Kunst. Das hat Duchamp mit seinem Urinal doch schon 1917 bewiesen. Wie kann ein Pissoir qualitativ hochwertige Kunst sein? Das ist doch Blödsinn. Umverteilung ist daher das falsche Wort. Ich nenne es Fairness und Gleichberechtigung, damit jeder erfolgreich werden kann – ganz unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe und sexueller Orientierung."
Die Problematik der Aussagen "es gibt keine Qualität in der Kunst" und "Kunst ist nicht definierbar" wurde auch in der "Kunstmarkt-Formel" abgehandelt. Es ist ja wunderbar, wenn Magnus Resch für seine Dissertation Daten von einer halben Million Künstlern auswertet, doch die Literatur zum Thema sollte man halt auch kennen. Zumindest wenn man eine Dissertation schreibt.
Ergänzung 14.1.2019 von Otto Hans Ressler via facebook: "3500 Euro netto pro Jahr verdienen Österreichs bildende Künstler im Durchschnitt aus künstlerischer Tätigkeit. Die überwiegende Mehrheit der Künstler muss ihr Einkommen deshalb durch Zusatzjobs aufstocken, wodurch regelmäßig 50 Stunden Wochenarbeitszeit anfallen – und die künstlerische Arbeit leidet. Nicht nur Künstler, sondern auch Vermittler, Kunstwissenschaftler und die meisten übrigen der im Kulturbereich Beschäftigten sind von der prekären Einkommenssituation betroffen. Der Umgang mit kreativen Menschen ist eine Schande für eines der reichsten Länder der Welt."
Ergänzung 18.4.2021: NFT - der neue Schlüssel für einen neuen Kunstmarkt? Über Non Fungible Token und das Kunstgeld Etherium.