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Im Vorwort des Katalogs „Neugierig? Kunst des 21. Jahrhunderts aus privaten Sammlungen“, der anlässlich der Ausstellung in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 29. Januar bis 2. Mai 2010, erschien ist, erläutert Intendant Robert Fleck die Intention der Schau und das Konfliktpotential, das zwischen den Interessen der Sammler als Leihgeber und der Museen besteht.

„Die wichtigen, initiativen Sammler spielen zum einen gegenwärtig eine mitbestimmende Rolle in der künstlerischen Entwicklung, die jener der Institutionen (Museen, Kunsthallen, Kunstvereinen) zumindest nahe kommt, wenn nicht sogar überschreitet. Außerdem konnten die initiativen Sammler in den beiden abgelaufenen Jahrzehnten die begehrtesten Kunstwerke auf dem Kunstmarkt erwerben, der sich im gleichen Zeitraum – wie auch die anderen Märkte im wirtschaftlichen Bereich – gleichsam schlagartig globalisierte, während die öffentlichen Sammlungen auf Grund der Krise der öffentlichen Haushalte meist nicht mehr in der Lage waren, auf diesem globalisierten Kunstmarkt als Konkurrenten aufzutreten. Daraus ergibt sich drittens, dass das Verhältnis dieser initiativen, meinungsbildenden privaten Sammlungen und der öffentlichen Sammlungen der Kunstmuseen hierzulande, aber auch weit über Europa hinaus, für die Zukunft der Museen in diesem neuen Jahrhundert neu überdacht werden muss.“ (S. 6.)

„Ein kunstsoziologischer Rückblick kann in einigen Jahren möglicherweise zu dem Ergebnis gelangen, dass die Institutionen privater Sammler eine Signalfunktion und einen paradigmatischen Faktor im Strukturwandel der Öffentlichkeit zeitgenössischer Kunst und des Museumswesens an der Schwelle vom 20. zum 21. Jahrhundert darstellen. Die einflussreichsten unter diesen Räumen versammeln wie in einem Reagenzglas die Potentiale und Widersprüche der aktuellen Kunstentwicklung.“ (S. 6)

„Kritik an den Museen, die zu pragmatischen Verwaltungsapparaten der Kunst oder zu zynischen Besuchermaschinen der Kulturindustrie verkommen seien, verbindet sich mit der deutlich absehbaren Ausbildung einer Distanz der Sammler zum traditionellen Museumsbegriff und zu den von ihm geprägten Institutionen.“ (S. 7)

Misstrauen (der Sammler) gegenüber dem Museum, … ergibt sich in eineigen Fällen aus den unterschiedlichen Zeitvorstellungen,... Die Geschichte des Museumswesens in den Bundesrepublik Deutschland ist in den letzten 15 Jahren von einer Reihe spektakulärer Konflikte dieser Art geprägt, in deren Folge private Sammlungen, die sich als Dauerleihgabe in Museen befanden, zurückgezogen wurden, was jene Museen in bisweilen spektakulärer Art „entblößte“. … Dieser strukturell angelegte Konflikt hat … zu einem Misstrauen geführt, das die Entwicklung einer tragfähigen Grundlage der Museen im 21. Jahrhundert zumindest hemmt.“ (S. 7/8)

Kurator Rainald Schumacher schreibt über das Konzept der Ausstellung:

„Die Auswahl der Werke erfolgte dabei nicht nach einem klassischen, kuratorischen Vorgehen, etwa nach einer vorher formulierten Idee oder einem festliegenden Konzept, … Die Auswahl entstand aus einer Neugier heraus. Welche Werke und Werkgruppen würden private Sammlerinnen und Sammler aus der Fülle von zum Teil Hunderten von Werken aus ihren jeweiligen Sammlungen auswählen und für die Ausstellung vorschlagen? Welchen Ausblick würden diese Werke vermitteln...“ (S. 10)

„Das Bild das sie (die Ausstellung) über die zeitgenössische Kunst entwirft, ist in sich vielfältig und zwischen zwei Polen angesiedelt: direkte oder indirekte Lesbarkeit, gegenständlicher Reichtum oder formale Reduktion. Die zeitgenössische Kunst reagiert auf die zersplitterte Realität mit einer breiten Palette an individuellen künstlerischen Bild- und Vorstellungswelten. … Dabei hat die zeitgenössische Kunst nicht wie die Kunst der Vergangenheit einen Wert an sich, der bei ihr über Jahrzehnte und Jahrhunderte durch viele Erzählungen, Berichte und kunsthistorische Analysen entstanden ist. Die Kunst von Hier und Heute mag einen Marktwert haben, der ein vielfaches eines alten, bedeutenden Kunstwerkes sein kann, aber ihr Wert als sinnlich erfahrbares Handwerkszeug der Wahrnehmung, der Schlussfolgerungen des Denkens, als Mittel der Erkenntnis, um etwas über die Wirklichkeit zu erfahren, was vielleicht nur durch das Kunstwerk vermittelt werden kann, muss sich jeweils in der individuellen Begegnung mit dem Betrachter bestimmen und dann auf Dauer und in wechselnden Umständen bestätigen.“ (S. 15)

Resümee von HT: Damit hat Schumacher in gewohnt sperriger Kuratoren-Sprache das zum Ausdruck gebracht, was ich schon seit langer Zeit behaupte: Preis und Wert eines Kunstwerkes haben nichts miteinander zu tun. Der Preis ist ausschließlich eine Frage von äußerlichen, marktbestimmenden (meist marktschreierischen) Faktoren, während der Wert ein dem Kunstwerk immanenter Faktor ist. Die Wert-Schätzung eines Werkes kann sich zwar im Laufe der Zeit ändern, nicht aber der für das Kunstwerk wesentliche (innere) Wert.

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